Gerade bin ich fast aus allen Wolken gefallen - die DGE ist angeblich bereit, ihre Ernährungsempfehlungen zu überarbeiten, bis Sommer 2017 sollen neue aufgestellt werden!
Hier die Meldung aus dem Ärzteblatt: http://m.aerzteblatt.de/print/186275.htm
Was ist daran so wild? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ist DAS Institut, das sagt, WAS GENAU gesunde Ernährung ist - sie macht die Vorgaben. Die sind seit 50 Jahren gleich, grob gesagt:
- bis zu 54% der täglichen Ernährung sollen aus Kohlehydraten bestehen, vorzugsweise aus Getreide (30%)
- es gibt eine Fettobergrenze
- es sollen Eier in Maßen (max. 3 pro Woche) gegessen werden, wegen des Cholesterinspiegels
Nun klangen diese Regeln damals auch sinnvoll, Eier und Cholesterin, das ist ja fast dasselbe. Es klang LOGISCH, auf Eier lieber zu verzichten, wenn man keine verklebten Arterien haben will, die dann zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen.
Die erste unsinnige Studie zum Thema Cholesterin - Anitschkow
Bis man hört, woher diese Empfehlung kam: 1913 hat ein schlauer (hüstel) Wissenschaftler namens Anitschkow tatsächlich Kaninchen (merke: Pflanzenfresser) zwei Monate lang nur mit Eidottern gefüttert und festgestellt: Hui, die verrecken! Somit waren Eier böse.Dass ein Pflanzenfresser überhaupt nicht auf tierische Mahlzeiten eingestellt ist und damit nicht umgehen kann, ach komm. Unwichtig. [2]
Die Schummelstudie "Sieben Länder" von Ancel Keys, 1958
Eine zweite Studie machte ebenfalls Furore, "Seven Countries" von Ancel Keys, 1958.Auslöser war ein Herzinfarkt des amerikanischen Präsidenten - das Land war in Aufruhr, da musste man doch was tun können? Plötzlich war das Thema "Ursachen für Herzinfarkte" DAS DING in der medizinischen Forschung. Alle wollten wissen, wie Herzinfarkte entstehen, was man dagegen tun konnte.
"Seven Countries" bot die Lösung - scheinbar glasklar hatte Ancel Keys die Ernährungsgewohnheiten in sieben Ländern mit den Herzinfarkthäufigkeiten in der Bevölkerung verglichen und herausgearbeitet: es ist die fettreiche Ernährung, die krank macht! Es ist das verzehrte Cholesterin! Also lieber fettarm leben, wenig Eier essen, der Gesundheit zuliebe!
Das blöde ist nur: der Forscher hatte tatsächlich 22 Länder untersucht und sich nur die 7 herausgesucht, die zu seiner Theorie passten, die Daten von 5 anderen Länder sagten nämlich genau das Gegenteil, bei den anderen war seine Theorie nicht erkennbar belegbar! [1][2]
"Am Eingeständnis, dass die Cholesterinhypothese frei erfunden war, kam auch Ancel Keys irgendwann nicht mehr vorbei. So gab er in einem Interview 1997 unumwunden zu: "Es gibt absolut keine Verbindung zwischen Cholesterin in der Nahrung und Cholesterin im Blut. Keine. Und das haben wir schon immer gewusst. Cholesterin in der Nahrung macht überhaupt nichts ..." Aber da war seine Theorie bereits fest in den Köpfen verankert." [1]
Es hat eine Weile gedauert, bis man gemerkt hat: Hm, Eier werden im Körper erstmal umgewandelt, das enthaltene Cholesterin ist nicht dasselbe, wie das Cholesterin, dass dem Körper zu schaffen macht. Genau wie man irgendwann festgestellt hat: Hoppla, wenn man Fett ISST, wird das ebenfalls erstmal umgewandelt und nicht sofort als Körperfett abgespeichert.
Fett macht fett! hiess es damals und das führte zur Fettobergrenze.
Der dritte Punkt auf der Liste ist die Empfehlung für 50% Kohlenhydrate, vorzugsweise aus Getreide.
Auch hier hat die Ernährungswissenschaft Fortschritte gemacht. Seit ca. 15 Jahren gibt es die LowCarb Bewegung, die gerne Eiweiß, Fett und wenig Kohlenhydrate verputzt. Und siehe da - Diabetes wird damit in den Griff bekommen oder verschwindet sogar. Gerade den einfachen Kohlenhydraten wird in Zusammenhang mit dem Blutzuckerspiegel / der übermäßigen Insulinausschüttung neuerdings die Schuld am Versagen der Bauchspeicheldrüse und der resultierenden Diabetes gegeben.
Die Regeln der DGE sind im Prinzip übernommen von den Regeln der Amerikaner - Gerüchte behaupten, die 50% Getreide sind vor allem von der Getreideindustrie Amerikas (Corn belt), anderen Quellen zufolge von der Zuckerindustrie ([6],[7]) und dritten Quellen zufolge von der Margarine Industrie diktiert worden.
Die DGE Ernährungspyramide (ab 1992) und die Harvard Ernährungspyramide (2008)
Schauen wir uns zunächst die DGE Ernährungspyramide an (Bild Interpretation eines Künstlers, nicht Original von der DGE):
DGE Ernährungspyramide, seit 1992
Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ern%C3%A4hrungs_Pyramide.jpg
Was auffällt (und ich kritisiere) ist die Basis der Pyramide - die Getränke lassen wir jetzt mal weg, dann soll also der Großteil der Ernährung aus Getreideprodukten bestehen. Bam! Das war's. Weißmehl bitte in jeder Form, viel. Schleichend hat die DGE das im Laufe der Jahre auch geändert, inzwischen wird das tatsächlich nicht mehr so allgemein empfohlen, inzwischen sind "Vollkorn Produkte" die Empfehlung, was völlig richtig ist. Die Abbildung zeigt, was 1992 empfohlen wurde und auch offiziell nicht geändert wurde. Ein kleines bisschen hat sich die DGE da schon bewegt, statt Getreide den Vorzug zu geben, ist im aktuellen "Ernährungskreis" schon zu erkennen, dass jetzt mehr Gemüse und Obst, statt Getreide gegessen werden soll, insgesamt sind Getreideprodukte aber immer noch die größte Gruppe. Unterhalb der Grafik ist da von 4-6 Scheiben Brot am Tag die Rede.
Ebenfalls sind Eier auch heute noch auf 2-3 Stück PRO WOCHE limitiert - ohne, dass es dafür auch nur irgendeinen sinnvollen Grund oder eine Studie gäbe.
Auch Fleisch soll nur 2-3 mal pro Woche verzehrt werden. Allgemein, ohne Unterscheidung, das schließt also auch das sog. weiße Fleisch von Geflügel mit ein, nicht nur das rote.
Tierische Fett stehen an der Spitze der Pyramide, sie sollten möglichst wenig verzehrt werden.
Jetzt gucken wir uns mal die Ernährungspyramide aus Harvard an und stellen Unterschiede fest:
Harvard Ernährungspyramide, 2008
Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Harvard_food_pyramid_es.jpg
Das auffälligste ist die veränderte Basis der Pyramide - hier teilen sich pflanzliche Fette und Getreide bereits die Fläche, zu beachten ist: es werden "whole grain foods", also Vollkornprodukte empfohlen. Weißes Brot, Weißmehlprodukte, auch Kartoffeln sind hingegen an die Spitze der Pyramide gewandert und sollten möglichst selten verzehrt werden.
Beim Gemüse steht hingegen "in abundance", also "im Überfluss", man könnte dieses Segment also beliebig vergrößern.
Eier hingegen werden 0-2 mal pro Tag, nicht maximal 3 Stück pro Woche empfohlen - das ist ein riesiger Unterschied!
Bei Fleisch wird unterschieden - Geflügel fällt unter die 0-2 mal pro Tag Regel (wie Fisch und Eier), rotes Fleisch ist in der Spitze der Pyramide gelandet.
Die drei Kernregeln der DGE sind damit schon seit Jahren in der Kritik
Hat man da was geändert? Nö, warum auch. Man hätte ja auch zugegeben müssen, dass man seit 50 Jahren genau das falsche predigt. Also haben sie es einfach weiter behauptet, ohne dass irgendeine seriöse Studie dafür die Grundlage ergeben hätte. Die Amerikaner haben diesen Schritt gewagt und zB für Eier die Warnung komplett zurückgezogen, da einfach kein Zusammenhang nachweisbar war.
Was ist so schlimm daran?
Unsere Krankenkassen zahlen nur für Ernährungsberatung, die auf den Regeln der DGE beruht.
Ein Ernährungsberater, der zB LowCarb gegen Diabetes empfehlen würde, kann das nicht tun, weil die Kasse das nicht zahlt.
Ergo: die Diabetes wird immer schlimmer, weil ja der Grund dafür die getreide-/weißmehllastige Ernährung ist.
Und nur für diese komplett falsche Aussage zahlt die Kasse...
Weiterführende Links:
- Der NDR hat einen Text- und Videobeitrag zum Thema
- 1967 veröffentlichten Harvard-Forscher eine Studie - bis heute leiden Millionen unter den Folgen (Huffington Post)
Quellen:
[1] - "Cholesterin schadet? - Alles erfunden!", Deutschlandradio, Text von Udo Pollmer
[2] - "Wie das Cholesterin-Märchen entstand"
[3] - "Irrtum Nr. 1 - Gesättigte Fette erhöhen den Cholesterinspiegel"
[4] - Vergleich DGE Ernährungspyramide - Harvard Ernährungspyramide
[5] - "Fördert die DGE Pyramide die Fettleibigkeit?"
[6] - "Wie die US Zuckerindustrie den Fetten die Schuld gab" - Ärztezeitung (danke Uta!)
[7] - "Die Zucker Verschwörung" - Zeit Magazin (danke Uta!)
[8] - die DGE Empfehlungen in der Kritik - Quark und so (danke Madame Graphisme!)
10 Kommentare :
Es war wohl die amerikanische Zuckerindustrie.
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/70463
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2016-05/zucker-verschwoerung-ernaehrung-fett-uebergewicht
Es wird echt Zeit, dass die DGE ihre falschen Empfehlungen zu Kohlenhydraten und Cholesterin mal ändert.
Uih, vielen Dank für den Link, Uta!!
Das interessiert mich brennend, super! :)
Ich empfehle zur weiteren Recherche das sehr gute Blog "Quark und so". Da gibts einiges zur DGE.
http://www.quarkundso.de/?s=DGE
Madame Graphisme: Vielen Dank für den Link, ist im Artikel gelandet. :)
Interessanter Beitrag, vielen Dank hierfür! Nur eine Frage, warum sind die Kartoffeln nach ganz oben in der Pyramide gewandert? Ich war bisher immer der Meinung sie wären gesund und habe sie gegenüber Nudeln & Reis bevorzugt.
Danke, Frank
Hallo Frank,
Zucker und Stärke sind "einfache" Kohlenhydrate, d.h. sie sind kurzkettige Verbindungen, die vom Körper sehr schnell umgewandelt werden können. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel sehr schnell an, was - bei großen Mengen - dazu führt, dass der Körper sehr viel Insulin ausstossen muss - das Insulin wirkt wie ein Schlüssel, der die Körperzellen aufsperrt, die wiederum nun den Zucker aus der Blutbahn aufnehmen und als Energiequelle verwenden.
Was bei normalen Lebensmitteln gut funktioniert, schlägt bei großen Zuckermengen fehl. Die Bauchspeicheldrüse ist damit überfordert, die nötigen Mengen Insulin zu produzieren. Das geht ein paar Jahre lang gut, dann gibt das Organ den Geist auf - die Folge ist Diabetes, Insulin muss von außen zugeführt werden.
Zu den Auslösern dieser Krankheit, die nur in Industrienationen auftritt, aber nirgendwo bei Naturvölkern, zählt man also alle Stoffe, die den Blutzuckerspiegel so rasant in die Höhe treiben - das ist natürlich Zucker, aber auch weißes Mehl und Stärke. Kartoffeln enthalten sehr viel Stärke, deshalb haben sie auch einen leicht süßlichen Geschmack.
Ich denke, deshalb sind die Kartoffeln oben in der Spitze gelandet.
Danke, Marc!
Durchaus ein sehr interessanter Aspekt. Dann sollte man aber auch merken, wenn der Blutzuckerspiegel beim/nach dem Konsum von Kartoffeln in die Höhe steigt, oder? Bei anderen Nahrungsmitteln merke ich das schon, nur bei Kartoffeln bisher überhaupt nichts.
Nun stellen sich mir zwei Fragen...
1. Wieso ist die Generation meiner Großeltern so "unbeschadet" alt geworden, wo doch Kartoffeln fast täglich auf dem Speiseplan stehen/standen?
2. Welche Alternative gibt es denn? Reis soll ja angeblich Arsen belastet sein und Nudeln/Pasta sollte man auch meiden.
Grüße, Frank
Hi Frank, ja, genau das ist das Problem. Das, was wir als "Sättigungsbeilagen" haben, ist scheinbar genau der Grund, warum wir auch Diabetes haben, wie gesagt, so etwas gibt es bei den Naturvölkern überhaupt nicht. Das mit dem Blutzuckerspiegel merke ich extrem eigentlich nur bei Nudeln, da krieg ich zwei Stunden später wieder Hunger. Bei Kartoffeln und Reis bin ich satt. Zum Reis: Stiftung Ökotest hatte das mit dem Arsen gemessen und es gibt genau eine Reissorte, wo sie nix gefunden haben: Basmati Reis (kommt vom Himalaya, schmeckt mir persönlich auch am besten (ist leider auch etwas teurer).
Ich würde mich mit den Kartoffeln nicht verrückt machen, die ganze Forschung mit der Glykämischen Last (also, wie stark der Blutzuckerspiegel steigt) ist ja gerade mal 10-15 Jahre alt und Du hast vollkommen recht, wir hatten ja früher auch nicht Diabetes als Flächenbrand, das kommt wohl eher von den Zuckermengen, die heute überall drin sind.
Ansonsten gibt es eben als Alternative: Gemüse! Tadaaaa! :)
Da kannste groß zuschlagen, man muss ja nicht unbedingt Reis/Nudeln/Kartoffeln auf dem Teller haben. Zucchini-Nudeln zB sind recht beliebt, kann man selber machen. Ansonsten ist die Auswahl im Bereich Grünzeugs ja wirklich sehr groß, da findest schon was. :)
Guck dir zum Cholesterin doch mal dieses Video und die darunter verlinkten Quellen an:
https://www.youtube.com/watch?v=vBtfzd43t8o
Nach wie vor ist Cholesterin einer der wichtigen Marker für das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das hat sich doch nicht geändert. Was sie herausgefunden haben, ist: Cholesterin ist nicht der Auslöser für arterielle Plaques, das sind Triglyceride. Aber zeig mir ein cholesterinreiches Lebensmittel, das nicht auch Triglyceride enthält. Zudem setzt sich Blutcholesterin auf Triglycerid-Plaques drauf und trägt damit zu deren Anwachsen bei.
Es ist wirklich falsch, so zu tun, als seien cholesterinhaltige Lebensmittel urplötzlich völlig harmlos.
Lieber Hans J., Du weißt, ich schätze dich sehr, deshalb hab ich das geguckt und wühle mich momentan durch noch mehr Infos. Eine gute Seite für wissenschaftliche Ansätze finde ich aesirsports - deshalb mal ein Text von dort für dich: http://aesirsports.de/2012/12/dat-dere-ovum/
Die Triglyzeride geb ich mir noch... :)
Kommentieren