Abnehmen: Gesund schlank - Der Blog zur Abnehmen-Community: Deutsche Kalorienrechner (fast) alle falsch - der Wikipedia-Skandal '; //twitterString += '

Das Buch "Fettlogik" von Nadja Hermann hat viele Internetmythen rund um's Abnehmen entlarvt, womöglich steht ein weiterer Fakt oder Mythos bald im Kreuzfeuer der Diskussionen - die Broca Korrektur. Kalorienzähler ermitteln am Anfang einer geplanten Abnahme erstmal den Gesamtumsatz des Körpers. Dazu muss bei vielen Rechnern erst eine von zwei Formeln ausgesucht werden (die Harris-Benedict-Formel ist älter, die Mifflin-St.Jeor-Formel gilt als 5% akkurater).

Als nächstes stellt sich dann die Broca-Frage:
Korrektur ja oder nein?

Die Theorie zu dieser Frage lautet wie folgt: Grundsätzlich gilt bei der Berechnung des Grundumsatzes - je größer der Körper, desto mehr Energie benötigt er auch. Das klingt ja auch logisch - bei einem großen Menschen sind auch die Organe wie Leber, Darm, Herz etc. größer, als bei einer sehr kleinen Person. Können wir also nachvollziehen, dass ein großer Körper mehr Energie braucht. In die Grundumsatz-Formeln gehen Größe und Gewicht ein, die das auch so ausdrücken.

Die Broca-Korrektur stellt jetzt folgendes in den Raum - irgendwann steigt ja nur noch das Gewicht, weil man sehr viel Fett am Körper hat, das verbraucht aber per se jetzt mal keine Energie, wie ein Organ. Also kann der Grundumsatz ab einem gewissen Punkt - man nimmt hier BMI > 30 an - nicht mehr so stark steigen wie zuvor. Klingt logisch.Schauen wir uns das mal als Grafik an.
Die X-Achse zeigt das steigende Gewicht an, die Y-Achse die kcal des Grundumsatzes. In rot ist der Verlauf der Harris-Benedict-Formel, in blau die neuere Mifflin-St.Jeor-Formel - beide Geraden verlaufen sehr ähnlich, die gepriesenen 5% mehr Genauigkeit entpuppen sich hier optisch schon als nicht so wahnsinnig gravierend für das Ergebnis. Aber als Kalorienzähler hat man es ja gerne sehr genau.

Folgen wir der Kurve (Geraden) nach rechts, gibt es einen Knick (BMI > 30) bei Harris-Benedict (rot) - hier ist die Broca-Korrektur dargestellt. Für Mifflin-St.Jeor (blau)hab ich das mal weggelassen, sähe ähnlich aus, aber so sehen wir, wie weit die Kurven auseinander gehen. Wir haben es bei BMI > 30 also mit sehr starken Abweichungen zu tun und die zentrale Frage im Raum ist natürlich - was von beidem stimmt denn? Ist das richtig, was die Broca-Korrektur annimmt, dass weniger Kalorien bei starkem Gewicht verbrannt werden oder ist die Formel ohne Korrektur richtig, also ohne den Knick?

Fakt oder Fettlogik, wahr oder Mythos?

Der Witz ist - ich weiss es nicht! Die Broca-Korrektur findet sich in so ziemlich jedem deutschsprachigen Grundumsatzrechner. Weil, es stand ja so in der deutschsprachigen Wikipedia, dass das so anzuwenden sei, sogar eine eigene Formel gab es dort dazu. Nur - dieser Teil ist inzwischen aus der Wikipedia verschwunden - wir erinnern uns, es darf dort zwar jeder editieren, aber es müssen Belege für Behauptungen angegeben werden, sonst werden Dinge wieder gelöscht. Tja, dieser Vorgang der Überprüfung hat wohl mal so zehn Jahre gedauert (oder länger), jedenfalls ist keine Broca-Korrektur mehr im entsprechenden Artikel (Grundumsatz) zu finden. Scheinbar gab es die Broca-Korrektur auch nur in der deutschsprachigen Wikipedia, in der englischen Ausgabe gibt es ebenfalls keine Spur der Broca-Korrektur und gab es wohl auch nie.

Ein Kalorienexperte in der YAZIO-FB-Gruppe (Toby Tentakel) hat mich darauf aufmerksam gemacht, er ist auch beruflich Experte und forscht auf diesem Gebiet. Im Chat verriet er mir ein paar interne Infos: Bei vielen Studien steht tatsächlich anfangs die Broca-Korrektur auf dem Zettel, doch es läuft immer ähnlich: Die "Korrektur" führt zu starken Verzerrungen der Ergebnisse und lässt sich wissenschaftlich so nicht halten - am Ende wird sie dann fast immer wieder rausgenommen und ignoriert. Auch unter den Fachleuten wird gerätselt, wie es die Broca-Korrektur in die Wikipedia geschafft hat und welcher "Spassvogel" wohl dahinter steckte.

Also ist die Korrektur falsch?

Keine Ahnung. Sie klingt eigentlich logisch. Nur scheint es überhaupt keine Studie oder wissenschaftliche Arbeit zu geben, die sie belegt oder gar zu einer Formel geführt haben könnte.

Ich hab Euch bislang auch noch nicht die ganze Wahrheit gezeigt, mir ging es jetzt mal darum, das mit dem Knick zu erklären und wie die Theorie dahinter aussieht. Jetzt müsst Ihr Euch allerdings anschnallen, denn jetzt zeig ich Euch mal, wie die "Wikipedia"-Formel wirklich wirkt:
Diese Grafik stammt von Toby Tentakel, er hat andere Werte verwendet und die Kurven sind ein bisschen steiler, aber man erkennt das gleiche wie im Bild oben. Anders ist der "Knick"-Teil. Während oben schön alles an der ursprünglichen Geraden der wissenschaftlich akzeptierten Grundumsatz-Formeln hängt - das ist Toby Tentakel zu verdanken, der die "Wikipedia"-Formel korrigiert hat (grüne Linie), seht ihr hier in rot, was diese Formel tatsächlich tut - ab BMI 30 sackt der Grundumsatz unglaublich ab und erreicht im Maximalwert nicht mal die Kalorienzahl, die VOR BMI 30 erreicht wurde!

Dieser krasse Sprung nach unten zeigt auch dem Laien, dass das keinesfalls richtig sein kann!

Ich hab den Text hier mal Toby Tentakel vorgelegt (Urteil: grob richtig :)), er diskutiert auch gerade mit YAZIO und hat dazu ein Statement abgegeben:
Die "Broca-Index-Anpassung" ist ein Mythos. Ich hab mit verschiedenen Kollegen, Forschern und Medizinern in den letzten Jahren versucht herauszukriegen, wer das Gerücht im deutschsprachigen Raum in die Welt gesetzt hat, leider ohne Erfolg bisher. Die einzige Spur ist eine über 10 Jahre alte Diskussion im FDDB-Forum und ein obskurer Eintrag auf der deutschen Wikipedia-Seite, der inzwischen wegen Falschinhalten gelöscht wurde - in keiner wissenschaftlichen oder medizinischen Publikation oder Studie, v.a. auch im internationalen Bereich, haben wir Nachweise oder Belege für diese sogenannte "Broca-Index-Anpassung" gefunden. Es gibt zwar in der Medizin und Forschung schon den Begriff des "adjusted weight", also wenn die Grundumsatz-Formeln bei gewissen Gewichtsgrenzen ganz allgemein mit einem Faktor abgeschwächt oder verstärkt werden, und daran wurde auch geforscht, aber bis auf die Dosierung von Medikamenten wurde dazu keine wirkliche Anwendung gefunden. Im Gegenteil es wurde auf Gefahr der Unterschätzung des Kalorienbedarfs dringend davon abgeraten, so eine Anpassung zu verwenden. Die Theorie, dass mit steigendem Körperfettanteil der Grundumsatz je Kilogramm abnimmt konnte ebenso nicht eindeutig belegt werden - bei manchen Patienten bzw. Probanden war dies so, bei anderen überhaupt nicht. Was allerdings gänzlich unsinnig erscheint ist allerdings die Formel, die zur Broca-Index-Korrektur auf der deutschen Wikipedia viele Jahre lang (ohne Quellenangabe) angeben wurde und von vielen Seiten ungefragt übernommen wurde. Zum einen macht eine Kombination von BMI und Broca-Normalgewicht wie in der Formel verwendet keinen Sinn. Die veraltete Formel für das Broca-Gewicht aus dem 19. Jhd. passt wenn überhaupt nur für Menschen mit einer Körpergröße zwischen 165 und 185. Der eigentliche "Broca-Index", also der Quotient aus Broca-Normalgewicht und aktuellem Gewicht, taucht trotz der Bezeichnung überhaupt nicht in der Formel auf. Und warum sollte man das alte Broca-Verfahren mit dem neueren BMI-Verfahren in einer Berechnung mischen? Wenn man mit angepassten Gewicht (adjusted weight) rechnet, dann wird in der Regel mit einer BMI-Grenze als Schwellwert gearbeitet und auch einer Gewichtsanpassung nach BMI, alles andere wäre noch fehleranfälliger. Dazu kam dass die Formel für die Broca-Index-Anpassung auf Wikipedia zudem mathematisch gesehen wirklich falsch war und fehlerhafte Werte für genaue die Leute mit hohem BMI geliefert hat, da kamen Werte weit unter dem Grundumsatz raus und die Kurve hatten einen Sprung an der Stelle. Zum Vergleich: http://reduxfx.com/gu.png - blau ohne Anpassung - rot mit der fehlerhaften Formel von Wikipedia - grün mit der von mir korrigierten Formel Kurz gefasst: sowohl bei Mifflin-St Jeor als auch bei der Harris-Benedict-Formel gibt es keine historisch oder wissenschaftlich belegte "Broca-Index-Anpassung". HB überschätzt in ca. 75% der Fälle den GU etwas während Mifflin normalerweise etwas drunter liegt, allerdings sind die real gemessenen Werte so individuell dass es immer noch keine allgemeingültige Schätzformel gibt oder geben wird. Momentan wird anscheinend bevorzugt die Oxford-Formel hergenommen statt Mifflin, aber es gibt auch noch ca. 200 andere, die mal mehr mal weniger passen. Gerade für deutsche Frauen ab 60 hat Mifflin allerdings starke Abweichungen in der Schätzung im Vergleich zu gemessenen Daten.
Meine persönliche Konsequenz wird sein, den Blog-eigenen Rechner so zu ändern, dass die Broca-Korrektur ein- und ausgeschaltet werden kann. Das war eigentlich der Grund, dem Hilfesuchenden diese Entscheidungen über Formel und Korrektur ab BMI > 30 abzunehmen, weil viele bei der Bedienung des Diaethelfer-Rechners an diesen Stellen gescheitert sind. Ich muss mir da noch ein paar Gedanken machen und natürlich programmieren, es erwartet Euch also demnächst ein Update des Rechners.



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