Bild: Marc Winking |
Wenn man den Diäten abschwört, isst, wenn sich körperlicher Hunger einstellt, erübrigt sich dieser Artikel fast. Aber eben nur fast. Nach jahrenlangen Diäten findet es seine berechtigte Erwähnung, wenn es ums intuitive Essen geht. Es besagt, dass man bei körperlichen Hunger essen darf, was das Herz begehrt. Ausnahmslos. Wenn der Hunger nach Pizza schreit, dann eben Pizza! Wenn es Chips sind, dann Chips! Wenn es Schokolade sein soll, soll es Schokolade sein.
Es fällt schwer, das zu glauben. Geschweige denn, zu beherzigen. Um die Reise zum intuitiven Esser zu beschreiten, ist es absolut notwendig, echten Frieden mit dem Essen zu schließen. Es gibt keine Einteilung mehr in gute und schlechte Lebensmittel, in "sollte ich" oder "darf ich nicht".Intuitives Essen vs. Verbotene Speisen
Natürlich gibt es Lebensmittel, die den Körper mehr nähren als andere. Die dem Körper besser bekommen. Aber darum geht es erst einmal nicht. Mit der bedingungslosen Erlaubnis, aus allen möglichen Speisen auswählen zu dürfen, legt man die Diätmentalität endgültig ad acta. Man beseitigt das Gefühl der Entbehrung, das man während der Diäten aufgebaut hat und das dafür sorgt, dass man sich irgendwann hemmungslos an den verbotenen Speisen überisst, hat man erst einmal Blut geleckt.
Essanfälle kann man auflösen, indem man das Verbot aushebelt.
Bekanntermaßen will man immer das, was man nicht haben kann.Wenn plötzlich alles erlaubt ist, nimmt das Verlangen nach tatsächlich nicht so nährenden Lebensmitteln mit der Zeit ab und verschwindet vielleicht sogar ganz. Wer genau hinschmeckt, wird feststellen, dass manches gar nicht so gut schmeckt, wie man es sich immer ausgemalt hat. Übrigens ein Effekt, den man auch beim Kalorienzählen feststellen kann. Wer sich die Kalorien für ein vermeintlich schlechtes Lebensmittel aufspart und dieses dann genießen möchte, wird nicht selten enttäuscht. Was auf alle Fälle jeder kennt, ist aufgewärmtes Essen. Wer sich für mehrere Tage vorkocht und drei Tage hintereinaner dasselbe isst, wird dieses Gericht für einen längeren Zeitraum nicht mehr wollen. Gleich, ob es als gesund oder ungesund eingestuft wird. Oder man kennt es auch: Wochenlang isst man ein bestimmtes Lebensmittel zum Frühstück. Mittendrin wird einem dieses Lebensmittel zum Hals heraus hängen, man kaut unwillig darauf herum, irgendwann verschimmeln die Reste und man weiß, dass man es für eine Weile nicht mehr kaufen wird. Ich habe während einer akuten Schlank-im-Schlaf-Phase 2008 soviel Putenbrust gegessen, dass ich diese heute noch nicht wieder kaufe und ich schon ein komisches Gefühl auf der Zunge bekomme, wenn ich sie nur sehe.
Welche Idee steckt also hinter dem Prinzip des Intuitiven Essens, Frieden mit dem Essen zu schließen?
Es geht wirklich darum, sich zu beweisen, dass alles erlaubt ist. Zu essen, was das Herz begehrt, zunächst wahrscheinlich auch über die Sättigung hinaus. Dies ist der Grund, warum dieses Prinzip gar nicht so leicht umzusetzen ist. Es reicht nicht aus, dass der Verstand grünes Licht gibt und man sich vielleicht eine handvoll Chips in eine kleine Schüssel füllt, um ja nicht zuviel davon zu essen. Denn darin steckt immer noch Diätmentalität: Eine kleine Portion ist okay, die ganze Tüte aber nicht! Damit sich eine dauerhafte Veränderung einstellen kann, muss dem Unterbewusstsein bewiesen werden, dass es keine Verbote mehr gibt. Kein schlechtes Gewissen, auch nicht, wenn man über seinen Hunger hinaus isst. Denn das wird in dieser Phase vorkommen. Wichtig ist dann, sich zu fragen, warum man über seinen Hunger hinaus gegessen hat und was man aus dieser Erfahrung lernen kann. Zu Beginn wird es schlicht an den alten Diätregeln liegen. Mit Nachsicht mit sich selbst, wird sich das aber legen. Dabei werden immer wieder Zweifel aufsteigen, ob diese Strategie wirklich die richtige sein kann. Schließlich hat man sich jahrelang völlig anders verhalten. Es fällt nicht leicht, nachsichtig mit sich zu sein, wenn man über die Sättigung hinaus gegessen hat. Aber aus Erfahrung kann ich sagen: Das ist völlig normal und das gibt sich mit der Zeit. Es fällt immer leichter, bei angenehmer Sättigung mit dem Essen aufhören zu können, weil das Unterbewusstsein lernt, dass es keine Verbote mehr gibt und sich nicht auf eine neue Zeit der Entbehrung einstellen muss.Intuitives Essen: Iss bislang verbotene Lebensmittel
Es lohnt sich, eine Liste mit den zuvor verbotenen Lebensmitteln anzulegen und diese wirklich nach und nach "abzuarbeiten", indem man sie kauft und isst, wenn man Hunger darauf hat. Ein Vorrat schadet auch nicht, damit man sich der ständigen Verfügbarkeit auch sicher ist. Alles andere ist eine Scheinerlaubnis und wird den Lebensmitteln weiterhin eine besondere Bedeutung verleihen, die dazu führt, dass sich weiterhin daran überessen wird.Man kann es sich schon denken, dass dieser Punkt ebenfalls Zeit braucht und die Waage, sollte man sie nicht ohnehin schon entsorgt haben, kann durchaus mehr anzeigen, das will ich gar nicht beschönigen. Das macht aber nichts. Wie bei vielen anderen Dingen auch ist die Reise zum intuitiven Esser kein Sprint, sondern ein Marathon. Doch wenn man sich die Zeit gibt, wird man mit neuen Erfahrungen belohnt und die neue Gewohnheit des intuitiven Essens wird gefestigt. Es ist überaus wichtig, wirklich aktiv etwas zu tun - also in diesem Fall auch zu essen. Denn nur das Wissen um die Erlaubnis reicht dem lang gequälten Unterbewusstsein nicht aus.
Du bist dir dennoch unsicher, was du in Zukunft essen sollst und möchtest eine kleine Hilfestellung? Oder bist noch nicht bereit, dir die bedingungslose Erlaubnis zum Essen zu geben? Im nächsten Artikel erfährst du in einem Exkurs, wie du ein Ernährungstagebuch dazu nutzen kannst, gesunde und gehaltvolle Ernährung zu lernen, ohne dir durch Verbote Druck aufzuerlegen.
/2020/01/gastbeitrag-lerne-mit-dem.html
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