Bildquelle: Karin Futschik |
Spätestens seit "Fettlogik überwinden" ist der Abnehmende frei.
Frei, weil es allein in seinem Ermessen liegt, wie schnell er oder sie an Gewicht verliert. Je mehr Kalorien man täglich einspart, umso schneller wirft man unnötigen Ballast ab. Die Bremse einer Mindestkalorienaufnahme am Tag ist von heute auf morgen einfach eliminiert. Die Gefährdung des Stoffwechsels - eliminiert. Frei fühle ich mich dennoch nicht.In entsprechenden Foren scheint es nun geradezu fahrlässig zu sein, mehr als 500 Kalorien am Tag zu sich zu nehmen. Obwohl Nadja Hermann, die Autorin von "Fettlogik überwinden" (meine Kritik dazu hier), in ihrem Buch keineswegs zu dieser extremen Kalorienrestriktion rät. Aus "Kann man über einen begrenzten Zeitraum mal machen" wurde für so manchen aus dem Kann ein Muss und jeder, der wagt, über 1000 Kalorien zu konsumieren, ist absolut disziplinlos und wird nie sein Zielgewicht erreichen. So kommt mir zumindest die ein oder andere Diskussion vor. Geradezu fundamentalistisch werden die Kalorientagebücher in den Himmel gelobt, 50 Kalorien hin oder her führen zu Nervenzusammenbrüchen, das Fitnessarmband entscheidet über Erfolg oder Niederlage, über Hochgefühl oder Depression. Da wundert es mich nicht, dass "FLÜler" hinter vorgehaltener Hand als essgestört bezeichnet und aus anderen Abnehmgruppen verbannt werden.
Kalorienzählen funktioniert.
Da gibt es nichts daran zu rütteln. 2016 habe ich selbst meine Freiheit damit gefeiert, auf nichts verzichten zu müssen. So lange etwas ins auferlegte Defizit passt, ist es auch erlaubt. Wenn man ehrlich ist, erlaubt man sich halt immer weniger. Aus der gefeierten Freiheit wird schnell eine Pflicht, der Druck, möglichst wenig zu essen. Man ist absurd verzweifelt, wenn man die Küchenwaage nicht zur Hand hat und Mengen abschätzen muss, Restaurantbesuche werden akribisch vorbereitet. Irgendwie dreht sich alles nur noch ums Essen und Nicht-Essen, um Strafe und Belohnung, abhängig von Waage und Maßband. Ob das für die Diagnose einer Essstörung ausreicht, weiß ich nicht. Normal ist es auf alle Fälle auch nicht, der Grat zur Krankheit nur ein schmaler.Deshalb möchte ich hervorheben, dass man auch weniger radikal sehr gut abnimmt, etwas langsamer natürlich, aber ebenso stetig. Wobei ich für meine Abnehmhistorie sogar sagen kann, dass der Erfolg bei weniger Kalorien gar nicht einmal soviel größer ist, als wenn ich es weniger genau nehme. Warum? Keine Angst, ich komme nicht mit irgendwelchen ominösen Stoffwechselgeschichten ums Eck. 7000 gesparte Kalorien entsprechen einem Kilo Körperfett. Doch je weniger Kalorien ich täglich esse, umso öfter habe ich Ausrutscher-Tage, die meine ganze Mühe und den ganzen Verzicht kaputt machen. Ich bin gestresst, ich bin demotiviert, ich verachte mich selbst. Keine gute Voraussetzung, oder?
Ich erinnere mich an meinen ersten großen Abnehmerfolg vor 10 Jahren.
Ein Freund empfahl mir Schlank im Schlaf (meine Betrachung dazu hier). Ich habe zwei Mahlzeiten gegessen, fünf Stunden Pause eingehalten, abends auf Kohlenhydrate verzichtet. Als das Gewicht stagnierte, habe ich die Portionen am Mittag reduziert. Als Nachspeise hab ich mir etwas Süßes gegönnt. Joghurt, Schokolade oder was auch immer. Kalorien interessierten mich nicht. Dreimal die Woche bin ich etwa eineinhalb Stunden flott spazieren gegangen. 10 Kilo in 4 Monaten warf ich dabei ab, bis ins mittlere Normalgewicht. Ich fühlte mich gut und konnte das Gewicht auch mehrere Jahre +/- 2 kg halten. Ich habe nicht panisch Buch geführt, ich habe nicht verzweifelt versucht, irgendwelche Werte aufzurechnen. Ich mag der ein oder anderen Fettlogik aufgesessen sein, aber abgenommen habe ich trotzdem und das auch nicht schlecht.Viele Wege führen bekanntlich nach Rom.
Ich will es für die restlichen Kilos mit einem gemäßigten Weg versuchen, der einer dauerhaften schlanken Ernährung am nächsten kommt. Dabei versuche ich meine Freiheit zurückzugewinnen. Frei von Kalorientagebuch und Fitnesstracker. Ich werde mir mit Sicherheit neue, alte Regeln auferlegen. Die Essenspause etwa, die das Grasen zwischendurch unterbindet, oder mein Bewegungsprogramm, das nicht nur das Kaloriendefizit erhöht, sondern auch zum allgemeinen Wohlbefinden beiträgt.Gewohnheiten, die langfristig durchführbar sind und auch Ausrutscher gut abfedern.
2 Kommentare :
Das ist wirklich sehr individuell. Ich habe am Besten mit einem tausender-Defizit (am Anfang also nur 800 Kalorien pro Tag zu mir genommen) abgenommen. Bei weniger Defizit schleichen sich bei mir zu viele Ausnahmen ein, das merke ich immer deutlicher.
Aber wie Du schon sagst - DAS Patentrezept für alle gibt es nicht. Und so lange man alle Makros und Mikros bekommt, kann man mit jedem Defizit abnehmen.
Denn letztendlich gilt nur eins: Calories in < Calories out. :) Der Rest ist Dekoration.
Das hast du schön gesagt :)
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